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Ergotalkaloide in Getreide: Vom mittelalterlichen Wahnsinn zu modernen Mykotoxinen
Das gespenstische Erbe des Heiligen Antoniusfeuers
Lange bevor „Ergotalkaloide“ bekannt und identifiziert wurden, hatten sich ihre verheerenden Auswirkungen als „Feuer des Heiligen Antonius“ in das kulturelle Gedächtnis Europas eingebrannt. Diese mysteriöse Krankheit, heute als Ergotismus bekannt, wurde durch den Verzehr von Roggen und anderen Getreidesorten verursacht, die mit dem Pilz Claviceps purpurea kontaminiert waren. Die Opfer litten unter Brennen, Halluzinationen, Krämpfen und Gangrän – was oft zum Verlust von Gliedmaßen und zum Tod führte.
Die Krankheit war so weit verbreitet und furchterregend, dass sie 1095 zur Gründung des Ordens des Heiligen Antonius führte, einer Mönchsbruderschaft, die über 370 Krankenhäuser in ganz Europa errichtete. Ihre Behandlung – die verschiedene religiöse Praktiken, Salben und die Verwendung von hochwertigem Weizen anstelle von kontaminiertem Roggen umfasste – war unbeabsichtigt wirksam, obwohl die Ursache jahrhundertelang unbekannt blieb. Dieses Leiden fand auch in der Kunst von Pieter Bruegel dem Älteren und Hieronymus Bosch Ausdruck. Bruegels Werk „Die Bettler” zeigt wahrscheinlich Überlebende des Ergotismus.
Heute hat sich die Bedrohung durch die Mutterkornvergiftung zwar von spiritueller Qual zu regulatorischer Compliance verlagert, doch das Erbe des Antoniusfeuers erinnert uns nach wie vor eindringlich daran, wie tief die Lebensmittelsicherheit mit Geschichte, Kultur und menschlicher Widerstandsfähigkeit verflochten ist.
Ergotalkaloide und die neue EU-Regulierung
Unter Mutterkorn versteht man die dunklen, halbmondförmigen Sklerotien, die von Claviceps-Pilzen auf Getreideähren gebildet werden. Diese Sklerotien enthalten Mutterkornalkaloide, eine Gruppe von über 50 aus Tryptophan gewonnenen Toxinen. Die für die Lebensmittelsicherheit relevantesten sind Ergometrin, Ergotamin, Ergosin, Ergocristin, Ergocryptin und ihre jeweiligen Epimere.
Der Verzehr kontaminierter Getreidekörner kann zu Ergotismus führen, und obwohl moderne Ausbrüche selten sind, bleibt das Risiko erheblich – insbesondere in Regionen mit kühlem, feuchtem Klima, das das Pilzwachstum begünstigt.
Die Europäische Union hat darauf mit immer strengeren Vorschriften reagiert. Die jüngste Aktualisierung – die Verordnung (EU) 2024/1808 der Kommission – ändert die Verordnung (EU) 2023/915 und führt niedrigere Höchstwerte für diese Kontaminanten in verschiedenen Getreideprodukten ein:
- Unverarbeitetes Roggenkorn: Der Grenzwert wird von 0,5 g/kg auf 0,2 g/kg gesenkt (gültig ab Juli 2025).
- Mahlprodukte aus Gerste, Dinkel und Hafer: Der Grenzwert wird von 100 µg/kg auf 50 µg/kg gesenkt (gültig ab Juli 2024)
- Mahlprodukte aus Weizen und Roggen: Senkung auf 50 µg/kg bzw. 250 µg/kg, verschoben auf Juli 2028
Diese Änderungen spiegeln die wachsende Besorgnis über die klimabedingte Zunahme von Pilzbefall und die Notwendigkeit strengerer Kontrollen der Lebensmittelsicherheit wider.
Herausforderungen für Getreideproduzenten und Prüflabore
Die neuen Grenzwerte stellen die Branche vor erhebliche Herausforderungen:
- Klimaschwankungen: Kältere und feuchtere Bedingungen in Teilen Europas haben zu einer erhöhten Mutterkornverseuchung geführt.
- Landwirtschaftliche Praktiken: Reduzierte Bodenbearbeitung und höherer Gras-Unkraut-Druck begünstigen den Lebenszyklus des Pilzes.
- Komplexität der Analyse: Der Gehalt an Mutterkornalkaloiden korreliert nicht immer mit sichtbaren Sklerotien, was die Erkennung und Quantifizierung erschwert.
- Uneinheitliche Vorschriften: Unterschiedliche Standards in den einzelnen Ländern schaffen Handelsbarrieren und Verwirrung hinsichtlich der Einhaltung der Vorschriften.
Testlabore müssen nun hochsensible Multi-Analyt-Nachweise mit kurzen Durchlaufzeiten liefern, oft unter begrenzten Ressourcen.
Umfassende Lösungen für Compliance und Sicherheit
Um diesen Herausforderungen zu begegnen, bieten wir zwei Lösungen an:
1. QualiT Pure™ Multi-Ergot Alkaloid MS
Diese Festphasen-Reinigungssäule ist für die LC-MS/MS-Analyse von 13 wichtigen Ergotalkaloiden optimiert, darunter Ergocornin, Ergocristin, Ergotamin und Ergovalin. Sie vereinfacht die Probenvorbereitung und erhöht die Genauigkeit, indem sie störende Verbindungen entfernt.
- Format: Spritzenförmige Säulen
- Verwendung: Multi-Analyt-Screening in Getreide und Mahlprodukten
- Vorteil: Zuverlässige Reinigung für Hochdurchsatzlabore
- Weitere Informationen: QualiT Pure™
2. Ergotalkaloid-Panels von Trilogy Analytical Laboratory
Trilogy bietet unabhängige Testdienstleistungen mit anpassbaren Panels an:
- Einzelalkaloid-Analyse
- 12-Analyt-Panel
- 13-Analyt-Panel (inkl. Ergovalin)
Die LC-MS/MS-Methoden von Trilogy sind für Lebensmittel- und Futtermittelmatrizes validiert und eignen sich daher ideal für Hersteller, die eine externe Verifizierung oder Referenzmaterialien benötigen.
Weitere Informationen: Trilogy-Ergotalkaloid-Analyse
Ausblick: Zusammenarbeit und Vision
Mykotoxine plagen die Menschheit seit den Anfängen der Landwirtschaft. Ergotismus wurde wahrscheinlich bereits im 9. Jahrhundert in den Annales Xantenses erwähnt, und wir können davon ausgehen, dass Mykotoxine uns auch in Zukunft begleiten werden. Heutzutage verfügen wir jedoch über mehr und bessere Mittel, um Tiere und Verbraucher zu schützen:
- Vorhersagemodelle zur Identifizierung von Kontaminations-Hotspots
- Verbesserte Überwachung in Hochrisikoregionen
- Standardisierte grenzüberschreitende Testprotokolle
- Zweckmäßige Analysemethoden
- Qualitätskontrollinstrumente
Angesichts der sich wandelnden regulatorischen Rahmenbedingungen wird die Zusammenarbeit zwischen Herstellern, Labors und Aufsichtsbehörden von entscheidender Bedeutung sein. Wir sind stolz darauf, unseren Beitrag dazu zu leisten – indem wir uns für harmonisierte Standards einsetzen, Interessengruppen aufklären und bewährte Verfahren für Tests und Risikominderung fördern.